Dritte Flotte

Dwarf Androx

Lebenslauf

Ort: Tondatha-Ödlande auf Agamar im Lahara-Sektor
Zeitindex: 030706 v. E., später Nachmittag

Speederbikes waren etwas Feines. Wenn man auf ihnen über den Wüstensand brauste, zeichneten sie wunderschöne Mandalas aus vielfarbigem Staub in die Luft, bevor sie der Wind erfasste und wie geisterhafte Schemen über das Land trieb. Wenn sie schließlich niedersanken, war man schon meilenweit fort, genoss den Fahrtwind im Gesicht und hielt nur einmal an, um das kaleidoskopische Farbenspiel zu betrachten, welches entstand, wenn sich die Sonne Mirgoshir tausendfach in den zu Glas verbackenen Gesteinsschichten am Rand der Einschlagskrater brach, dort, wo einst Tondatha lag. Daran konnte man nicht achtlos vorbeifahren.

Von der kleinen Stadt Tondatha war heute nichts mehr übrig, nur ein Gewirk aus mehreren Dutzend Kratern und schwarzem, verbrannten Felsgestein, auf dem nicht eine Pflanze wuchs. Häuser, Bäume und Menschen waren zu Tausenden vernichtet worden, von meterdicken Laserbündeln einfach zu Asche verbrannt oder mit kochendem Gestein zu skurrilen Formationen verbacken. Es war ein Anblick, der das Herz berührte. Unwillkürlich musste man sich fragen, ob es sonst irgendwo im Universum ein ähnlich prächtiges Zeugnis von wahrer und kompromissloser Macht geben konnte wie dieses. Dann jedoch begann irgendwann der Strahlungsmesser bedrohlich zu ticken oder am Horizont formierte sich ein Sturm, und man musste schweren Herzens Abschied nehmen. Die Rückfahrt auf dem Bike war in der Regel Entschädigung genug, und wenn man mit Freunden unterwegs war, konnte man wenigstens ein Rennen daraus machen.

Diese Rennen waren natürlich nicht so spannend wie die berühmten Pod-Rennen von Tatooine oder Malastare, die man im Holonetz zu sehen bekam, und wahrscheinlich auch nicht ganz so gefährlich. Aber eine plötzliche Windböe war immer für einen tragischen Unfall gut. Am schlimmsten war es kurz vor dem Aufleben eines Sandsturms. Dann konnte glatt der gesamte Schub eines frisierten Bikes nichts mehr ausrichten, wenn man gegen ihn ankämpfen wollte. Und die Sandstürme, welche die Tondatha-Ödlande entfesseln konnten, wurden von Jahr zu Jahr schlimmer.

Der heutige Sturm war allerdings kaum einen Blick aus dem Fenster wert. Der Sand prasselte ohne Unterlass gegen die Wände des Gutshofes und färbte den Himmel rötlich-braun, polierte die Wände des Hauses noch ein bisschen glatter und machte selbst die Fenster aus unverwüstlichem Transparistahl nach und nach blind. Ganz schwach konnte man die Silhouetten der Arbeiterbaracken gegenüber dem Wohnhaus erkennen, also war der Sturm vergleichsweise mild. Der Blick reichte sogar bis zu dem Fahrzeugschuppen, in dem das einzige Speederbike westlich von Sis Wyna stand, mit dem schon nachweislich ein menschliches Wesen einem solchen Sturm davongefahren war. Und sogar einem Sandskorpion, aber das war vielleicht auch nur Aufschneiderei.

Der weißhaarige junge Mann, dem dieses Bike gehörte, stand mit verschränkten Armen vor seinen Eltern. In seinen Augen stand unbezähmbarer Trotz. Seine Schwester hingegen sah nur kurz genervt auf und fuhr dann damit fort, die Nachrichten über den Holoprojektor abzufragen. Mit ihren knapp vierzehn Jahren zeigte sie ein großes Interesse daran, was im zivilisierten Teil der Welt so vor sich ging, also so ziemlich allen Planeten schön weit weg von Agamar, und vor allem politische und militärische Verwicklungen fesselten ihre Aufmerksamkeit.

Die Ankündigung ihres Bruders hatte Feyaria nicht eben überrascht. Ihr Bruder war von der Politik ebenso begeistert wie sie, seit sie regelmäßig zu den Gesprächskreisen und Aktionsgruppen im Jugendclub von Sis Wyna gingen. Die anderen jungen Leute dort hatten wenigstens Ahnung, und die Männer und Frauen von der COMPNOR, die dort manchmal sprachen und die denkwürdigsten Partys und Demos veranstalteten, die hatten ebenfalls Ahnung. Man musste sich einmischen, durfte nicht die Klappe halten! Es gab schon genug Mist auf dieser Welt, aber wenn alle mit anpackten, konnte man Agamar wieder in eine blühende Welt verwandeln, befreit von Schmutz und Korruption. Was dem Planeten fehlte, war ein anständiger Verwalter wie seinerzeit Gouverneur Challep, anstelle des amtierenden Hanswursts, der sich von den Schmugglerkönigen bestechen ließ. Das wusste doch jeder!

Nicht, dass das Imperium an sich viel davon gehabt hätte, wäre es auf Agamar anders gelaufen: Hier gab es nur Wald, eine Menge Ackerland, und seit der Imperator Tondatha als mahnendes Symbol seiner unnachgiebigen Härte gegen die schwärende Rebellion ausgelöscht hatte, gab es auch eine Menge Sand hier in der Gegend. Radioaktiv verseuchten Sand, der an die Stelle der sonst üppig wuchernden Binkawälder getreten war. Seitdem schmeckte selbst der Mugruebe-Eintopf anders, behaupteten die Alten. Seitdem war sowieso alles anders. Die Rebellen erhielten umso mehr Zulauf in Calna Muun, munkelte man, aber um Tondatha kümmerte sich heute keine Sau mehr. Ödes Brachland, auf Jahrzehnte nicht nutzbar. Die Einrichtung einer zentralen Gedenkstätte hatte der neue Landbesitzer verweigert, schon aus Angst vor Repressalien durch das Imperium, und wenn er doch jemanden in seinem Territorium erwischte, der dort nichts zu suchen hatte, lieferte er ihn gnadenlos an die Behörden aus.

Gerade hatte Dwarf, der einzige Sohn der Familie Androx, seine seit Monaten gehegten Absichten verkündet, wie er diesem Hinterweltlerplaneten entkommen wollte. Natürlich hatte er gewusst, wie seine Familie reagieren würde. Und sie hatten völlig unterschiedliche Meinungen über das, was ihr Sohn gerade geäußert hatte.

"Ich habe keine Lust darauf, mein ganzes Leben als Feuchtfarmer zu vergeuden", hatte Dwarf soeben nämlich gesagt. 'Vor allem', hatte er im Geiste hinzugefügt, 'wenn wir die einzigen sind. Der Rest des Planeten ist noch immer ein wuchernder, üppiger Dschungel und bietet bestes Ackerland. Nur wir rackern uns mitten in einer verdammten Wüste ab, und machen uns so zum Gespött.' Das stimmte allerdings. Der Ackerbau und die Viehzucht lohnten auf diesem kargen Boden kaum. Man hatte John Androx sogar öffentlich für verrückt erklärt, als er das zerstörte und verstrahlte Land gekauft hatte, aber er hatte seine Gründe, warum er genau hier bleiben wollte. Alle Angebote der Regierung, ihm ein neues, wenn auch kleineres Ackerland zu besorgen, hatte er freundlich abgelehnt und sich sogar darum bemüht, möglichst noch mehr von der nicht nutzbaren Wüste zu seinem Eigentum zu machen, während diese sich langsam und allmählich auch in die Richtung seiner Farm ausbreitete. Vielleicht war er nur aus Liebe zu seiner Frau geblieben?, überlegten manche. Immerhin sollte sich die Farm auf dem Gebiet eines uralten Heiligtums für irgendwelche Urgötter dieses Planeten befinden. Vielleicht hatte er auch einen Schatz auf seinem Land vergraben, spekulierten andere. Vielleicht aber war er auch einfach verrückt geworden in den Klonkriegen, die mehrfach über den Planeten hinweggerollt waren. Der alte Androx hatte sich jedenfalls niemandem jemals erklärt. Überhaupt erklärte er niemandem viel. Nicht einmal seinem eigenen Sohn.

John Androx jedenfalls hatte keinen allzu überraschten Eindruck gemacht, wie immer seinen seltsamen Backenbart, der nur das Kinn frei ließ, zu einem spöttischen Lächeln verzogen und dann gemeint: "Was willst du denn sonst werden? Schmuggler? Viel anderes kann dir Agamar bei deinem schlechten Schulabschluss nicht bieten; Schmuggler oder Farmer, eines von den beiden muss es eben sein... Und ich werde nicht dulden, dass du einer von diesen stinkenden, versoffenen Radaubrüdern wirst, die andere Leute mit Drogen in ihre Abhängigkeit treiben!" Ja, genau. Lieber sollte er einer dieser stinkenden, versoffenen Radaubrüder werden, die ein Leben lang mit schmerzendem Rücken im Dreck herum wühlten. Das war wenigstens ehrliche Arbeit.

Die Stimme des Vaters hatte einen bedrohlichen Ton angenommen, während er dies sagte. Oft, sehr oft hatte John seine beiden Kinder in die Kreisstadt Sis Wyna oder Nu Epera, die andere größere Stadt auf dieser Seite von Agamar, mitgenommen und ihnen gezeigt, welcher Abschaum die Luft der zwielichtigen Raumfahrerkneipen verpestete und Agamar zu einem beliebten Treffpunkt für Schmuggler und Piraten machte — trotz der Anwesenheit imperialer Wachschiffe und Garnisonen. Obwohl der Raumhafen von Calna Muun, der nahen Hauptstadt des Planeten, auch nicht sonderlich gut von den spärlichen imperialen Truppen bewacht wurde, zogen es die zwielichtigen Elemente vor, ein wenig Schmiergeld zu zahlen und dafür auf den weniger gut ausgebauten, regionalen Raumhäfen der planetaren Rückseite zu landen, sozusagen im Hinterland des galaktischen Hinterlandes.

'Seht nur', hatte John Androx dann immer gesagt, 'was die Spice-Drogen und anderes Schmuggelgut aus denen gemacht haben, die sie transportieren und die damit die Gesellschaft untergraben! So schlechte Menschen sollt ihr nie werden!' Natürlich hatte er das nie allzu laut gesagt, denn obwohl der Vater ein rechtschaffener Bürger war und auch recht militaristische Anwandlungen pflegte, hatte er nie zu einem Personenkreis gehört, die es sich leisten konnten, direkt oder indirekt einen Vertreter des Imperiums wie den amtierenden Gouverneur zu verunglimpfen. Die verborgene Kritik an den korrupteren Vertretern der Neuen Ordnung hatten sich die Kinder trotzdem gemerkt.

Cery hingegen, Dwarfs und Feyarias Mutter, murmelte eines der rituellen Stoßgebete, durch deren Rezitation der zerrüttete Geist des Gläubigen wieder in Einklang mit den mystischen Strömungen des Universums gebracht werden sollte. Es war nicht bloß Hokuspokus, denn der menschliche Geist ließ sich bekanntlich im begrenzten Maße konditionieren. Für Dwarf allerdings war es in erster Linie ein Hinweis darauf, wie sehr sie diese Ankündigung getroffen hatte. Doch jetzt war es ausgesprochen, was ihn seit Monaten umtrieb, und jetzt durfte er auch keinerlei Rücksicht mehr auf die Gefühle seiner Mutter nehmen, sonst würde er einen Rückzieher machen und für immer auf diesem Planeten festsitzen.

"Kein Schmuggler — das Gegenteil!", sagte er also. "Ich will mich bei den Truppen freiwillig melden!"

"So, so, zu den Truppen also!", brummte der Farmer, und sein Interesse war tatsächlich geweckt. Sein Blick wanderte zum Fenster. Der Sturm legte zu und verschlang den Blick auf den Fahrzeugschuppen. "Sturmtruppen? Späher etwa?" Geflissentlich ignorierte er den kurz bevorstehenden Weinkrampf seiner Frau. Cery war den Tränen nahe. Ihr Junge würde in irgendeine enge Uniform gequetscht werden und sollte dann mit stampfenden Schritten und einem riesigen Lasergewehr in den Tod marschieren? Daran war doch nur dieser Jugendclub schuld! Sie würde ein paar Arbeiter nehmen und den Laden niederbrennen, und danach würde sie den Holonetz-Empfänger zerstören mit seiner zersetzenden unterschwelligen Propaganda vom ruhmreichen Soldatenleben...!

Dwarfs Augen hingegen glänzten vor Entschlossenheit. "Jagdpilot!" Was unterm Strich noch gefährlicher war und selbst seinem Vater nicht schmecken konnte. Aber der Junge hatte Talent, das musste der Alte ihm lassen, und genau genommen war auch diese Wahl wohl schon immer absehbar gewesen: Von Kindesbeinen an hatte Dwarf am liebsten mit Spielzeugjägern gespielt und im Holonetz Berichte über neu entwickelte Kampfmaschinen verfolgt. Für den Geschichtsunterricht hatte er einmal die Schlachtverläufe über Agamar recherchiert und sich an einer Art taktischer Analyse versucht. Noch heute stand das heiß geliebte Modell eines TIE-Jägers in seinem Zimmer, abgegriffen und -zigmal repariert, weil er beim Spielen ständig kaputt gegangen war. Fast wie ein richtiger TIE, dachte der Vater besorgt. Er würde seiner Frau eine Menge Lügen auftischen müssen, und vielleicht kam dann auch wieder das Thema von 'Nummer drei' zur Sprache...

Vier Wochen später war es soweit: Dwarf hatte seine Eltern gleich vor vollendete Tatsachen gestellt, schon am Tag seiner Ankündigung alle Papiere unterzeichnet und war in der Folgezeit auf seine allgemeine Eignung für den Flottendienst getestet worden. Gestern hatte er sich von seinen Freunden verabschiedet. Jetzt begann endlich sein neuer Lebensabschnitt. Er packte nicht viel eigenes Gepäck ein, denn es würde von den Truppen sowieso ausgesondert werden, wenn es ein gewisses, sehr geringes Gewicht überschritt. Seine Eltern brachten ihn zur Hauptstadt, zum Raumflughafen von Calna Muun, wo schon ein Mann in der Uniform eines Offiziers hektisch auf und ab schritt.

Viel Zeit gab der ihm nicht, sich von seiner Familie zu verabschieden. Der Leutnant las seinen Marschbefehl binnen zwei Minuten durch, dann resümierte er:

"Androx, Dwarf, geboren 12:3:5, Kreis Sis Wyna. Willkommen in der Armee ... Ach, Pilot wollen Sie werden? Das wird der Eignungstest auf der Shootingstar erst noch zeigen."

"Ich bin sicher, dass ich das werde", meinte der junge Mann unverdrossen, obwohl er keine Ahnung gehabt hatte, dass er auf einem Schulschiff der Marine nochmals geprüft werden würde, ehe er zu einer Ausbildung eingeteilt wurde. Hoffentlich kam der Pilotendienst auch in Frage für ihn! Er warf einen unsicheren Blick zu seinen Eltern, doch der Vater zwinkerte nur zuversichtlich. Jetzt war es ohnehin zu spät für die nächsten paar Jahre. "Ganz bestimmt werde ich das", wiederholte er. Der Offizier lachte kehlig und fuhr ihn barsch an:

"Maul halten, Androx! Marsch, ins Shuttle zu den anderen Rekruten!" Die nächsten Worte galten schon nicht mehr ihm. "Pilot, wir können abfliegen. Kurs zur Shootingstar!"

Und so einfach war Dwarf zu Androx geworden. Er stieg in das kleine, schnelle Schiff und erwiderte die neugierigen Blicke der anderen Rekruten mit einem knappen Nicken. Natürlich kannte er keinen von ihnen, aber die meisten kamen ihm eher vor wie Zwangsrekrutierte als wie Freiwillige. Vielleicht lag es daran, dass seine Familie die einzige war, die ihren Sprössling verabschieden wollte. Er suchte sich einen Platz, schnallte sich fest und winkte immer wieder zu ihnen herüber, bis die Luke sich mit einem trockenen Zischen schloss. So rasch er konnte, streifte er die Gedanken an seine Familie ab, und ob er sie je wiedersehen konnte. Jetzt war er nur noch Androx, irgend ein unwichtiger Rekrut unter vielen.


Ort: Raumdock um Carida in den Kolonien
Zeitindex: 191005 n. E., 0250 Standardzeit

Es war die erste Minute des zweistündigen Sonderurlaubs, den der Kommandant der Dominator seiner jungen Führungselite genehmigt hatte. Auf der Brust der stolzen Offiziere und Offiziersanwärter glänzten nagelneue Rangabzeichen und auch manch ein Orden im künstlichen Licht. Der Line Captain hatte sie für ihre Verdienste auf der "Jungfernfahrt" in den Himmel gelobt, denn die Dritte Flotte, die sich Großadmiral Thrawn erträumt hatte, war nun voll einsatzbereit. Für ihre Feuertaufe hatte er eine konzertierte Offensive auf mehrere Flottenstützpunkte der Neuen Republik geplant, während seine Hauptstreitmacht rund um sein Flaggschiff Chimaera die Republik von den Kernwelten vertrieb. Der Dominator war Carida zugefallen, ein Planet mit überhöhter Schwerkraft und einer legendären Militärakademie. Keiner wusste so recht, wo Großadmiral Thrawn all die Schiffe hergezaubert hatte, die sie unterstützt hatten. Aber es ging das Gerücht, dass die Katana-Flotte gefunden worden sei. Etliche Kriegsherren wie Prinzadmiral Krennel hatten Thrawn die benötigten Truppen geliefert, und dazu moderne TIE-Jäger wie den sagenhaften TIE/ad Avenger, den er, Androx, in der Schlacht von Carida selbst gesteuert hatte.

Es schien schon Jahre her zu sein, aber in Wahrheit war kaum ein halber Tag verstrichen, seit Ensign Androx völlig durchgeschwitzt und erschöpft aus dem Jäger gestiegen war. Seinem Jäger! Der Avenger war für ihn weit mehr als nur irgendein Jäger, und er hatte ihn so virtuos geflogen wie an jenem schicksalhaften Tag vor fast sieben Jahren... er ballte die Rechte trotzig zu einer Faust und schob die düsteren Erinnerungen beiseite. Heute ist mein Tag!, dachte er fast trotzig, während seine Stiefel und die seiner Kameraden beschwingt über die frisch von Blut und Tod befreiten Gänge der Raumstation klapperten. Hier und da waren Einschusslöcher zu sehen und eingetrocknete menschliche Überreste an den Wänden, aber daran war er inzwischen gewöhnt. Seine Kameraden Kadetten noch nicht. Er hatte sie heute früh erst im Namen des Kapitäns an Bord willkommen geheißen, selbst noch kaum vier Wochen an Bord, aber es waren vier Wochen voller Kämpfe gewesen, und die Jahre zuvor... diese hier dagegen waren alle noch grün hinter den Ohren. Kadetten frisch von der Akademie, junge Männer im Wunderland, die gerade ihre Grenzen kennenlernten beim Anblick ihrer wahrscheinlich ersten Leiche.

Da hatte jemand wohl noch nicht aufgeräumt. Androx war ihnen neun blutige Jahre voraus, deshalb ging er auch ungebremst und ungerührt um die klebrige Blutlache herum und ließ den Putzdroiden seine Arbeit machen. Zwei der Kameraden hinter ihm mussten sich erschüttert abwenden, als sie in die aufgerissenen Augen des republikanischen Soldaten blickten. Scrap "Scrapper" Marlowe und Mace Tel'chu hingegen waren etwas härter gesotten. "Warte, Androx!" Sie folgten dem Ensign, überspielten den unschönen Anblick mit aufgesetzt-lockeren Scherzen und klopften sich und auch ihm auffällig oft auf die Schulter, um bloß nicht daran denken zu müssen, dass sie heute geholfen hatten, tausendfach Tod und Vernichtung zu säen. Die anderen Kameraden dachten hingegen eindeutig genau daran. Auch Androx hatte diesen Schritt einst gehen müssen. In den Simulationsspielen an der Akademie und im Cockpit eines Raumjägers war man einfach nicht nah genug dran für die echte Erfahrung. Tel'chu war angehender Geschützoffizier wie Androx selbst und Scrapper war Ingenieur, würde also im Normalfall fast nie einem Feind von Angesicht zu Angesicht begegnen. Und auch von den anderen gehörte wohl nur einer zur Infanterie... Als hinter ihm ein Würgen aufklang, hielt Androx doch an, aber er drehte sich nicht um, sondern wandte sich einer Aussichtsluke zu. Da unten war Carida, das verhasste Höllenloch. Die geliebte zweite Heimat. Scheiß-Indoktrination. Heute ist mein Tag. Den würde er sich nicht kaputt machen lassen. Heute früh noch war er ein Kadett gewesen und kaum mehr als ein Pilot auf Bewährung, erst seit zwei Wochen überhaupt wieder im Flugdienst. Und jetzt war er endlich Offizier der Kriegsmaschine. Endlich wieder. Er strich über sein neues-altes Rangabzeichen. Ein blaues und ein rotes Quadrat. Ensign. Wenigstens ein Anfang, aber da fehlte noch etwas.

Lyndea Korliss trat an seine Seite und verpasste ihm einen nicht ganz freundschaftlich gemeinten Schlag auf den Oberarm. "Danke für's Warten, du großer Kavalier!", maulte sie und bemühte sich, in der teilentspiegelten Scheibe ihr dezentes Make-up zu richten, während die Kameraden Kadetten sich auskotzten. Sie war eine begehrenswerte Frau, aber sie war auch eine junge Kameradin. Na ja, schränkte er in Gedanken gleich wieder ein. Wissenschaftlicher Dienst, also nur so ein bisschen Kameradin. Was war doch gleich ihr Fachgebiet?

Androx reagierte äußerlich kaum, rieb sich bloß den Arm und hielt die Augen fest auf Carida gerichtet. Lyndea seufzte. Ein Gewirr von hundert Stimmen und gedämpfter Musik klang leise in ihren Ohren, denn ihr Ziel war nicht mehr weit entfernt. Die Kameraden vom Heer hatten tatsächlich binnen weniger Stunden ein Mannschaftsheim zum Laufen gebracht und zapften laut gröhlend die Vorräte an. Laut gegröhlt hatte Androx vorhin auch, zuerst allein für sich in seiner Stube und dann, etwas heiser, auch vor Lyndea und den Kadetten. Sei's drum mit der Würde. Der Kommandant hatte sie nach der Schlacht gleich zu sich gerufen, die Neulinge offiziell begrüßt und ihn für ein paar Takte länger da behalten. "Ich ernenne Sie aufgrund Ihrer Pilotenerfahrungen und guten Qualitäten als Pilot zum Jagdstaffelführer", hatte er gesagt, ein bisschen arg verschwurbelt, als bereite ihm die Entscheidung doch ein wenig Kummer. Aber er hatte Androx' Akte gelesen, davon war dieser jedenfalls nun überzeugt, und die Einträge dort richtig verstanden im Gegensatz zu all den Vorgesetzten, die er zuvor erdulden musste. "Und aufgrund Ihrer momentanen herausragenden Leistungen mache ich Sie zu meinem zweiten Offizier. Nehmen Sie an?" hatte Ivan Lee McReign gefragt. Und auch nicht sofort eine Antwort erhalten.

Androx hatte geglaubt, dass er träume! Satisfaktion auf ganzer Linie! Seinen verlorenen Dienstgrad brachte ihm das noch nicht ganz zurück, aber binnen vier Wochen vom Kadetten und Ersatzpiloten zum Zweiten Offizier und Geschwaderführer hatte er es gebracht! (Nicht nur Staffelführer, sondern Führer aller sechs Staffeln; der Chef hatte sich im Eifer des Gefechts geirrt.) Darauf... darauf hatte er seit Jahren gewartet. Dafür hatte er gekämpft, sich allmählich mit seiner Niederlage abgefunden und trotzdem neu hochgearbeitet. Und jetzt, als er nicht einmal daran zu denken wagte, kam dieser unkonventionelle Kommandant einer unkonventionellen Einheit und rehabilitierte spornstreichs einen kleinen Ensign, in dessen Dienstakte sich Strafbestände und Dienstbeschwerden häuften. Er machte ihn zum Geschwaderführer und gab ihm obendrein das zweithöchste Amt an Bord eines Kommandoschiffs? Einem in Ungnade gefallenen Ensign?

Die Hintergründe sollte er erst ein paar Monate später begreifen. Natürlich fehlte der Dritten Flotte in ihrer Anfangszeit so ziemlich alles: Geld, Schiffe und Personal waren größtenteils geliehen, teilweise sogar schlicht gestohlen. Nur die Dominator war wirklich und wahrhaftig ein Neubau des Imperiums, die übrigen großen Kreuzer zumeist der Katana-Flotte entnommen oder eben Leihgaben von kleineren verbündeten Warlords, die ihre Einheiten lieber nicht im galaktischen Kern gegen das Gros der Rebellenflotte verlieren wollten. Diese Wackelkandidaten hielt der Großadmiral mit wohl dosierten Versprechungen, Drohungen und der Illusion von Macht auf Linie, aber ihre Zuversicht wuchs beständig seit der Schlacht von Bilbringi. Die niederen Chargen seiner Armee füllte Großadmiral Thrawn mit Zwangsrekrutierungen und Klonen auf, aber in punkto Offizieren hatte er einen unorthodoxen Weg eingeschlagen und gab in dieser Einheit, welche die Einsätze mit dem höchsten Risiko übernehmen sollte, Krawallmachern und Fanatikern den Vorzug, die sonst kein Kommandeur haben wollte. Wenn sie fielen, waren sie rechnerisch kein großer Verlust, und solange sie lebten, würden sie ihre letzte Chance nicht vergeuden und die Dritte Flotte mit ihrer Erfahrung auf die Beine stellen, in der Hoffnung auf Rehabilitation und eine richtige Karriere.

Und genau so war es Androx heute ergangen. Natürlich hatte er angenommen! Er hatte gestammelt und nicht gewusst, wohin mit all der ungewohnten Ehre an diesem einen Tag, aber andererseits hatte er sein Leben lang darauf gewartet: Seit nunmehr neun Jahren stand er in den Diensten des Imperiums und hatte jede Schmach erlitten, die man nur erleiden konnte. Alles, was hätte schief gehen können, war auch schief gelaufen. Was hatte er es damals als Ehre empfunden, diesen Jäger zu testen, den Ingenieuren dabei zu helfen, ihn für Lord Vader persönlich weiter zu entwickeln: ein junger Leutnant und Elitepilot des Imperiums von einer Gesinnung, an der die Akademie nicht viel hatte feilen müssen. Und dann? Ein Unfall und er war für alle Zeiten fluguntauglich, weggeworfen auf den menschlichen Müllhaufen, entwürdigtes Frontlinienfußvolk, und dem langen Absturz war ein harter Aufprall gefolgt. Mit nur einem Arm kletterte es sich schlecht die Leiter wieder empor. Doch die Dritte Flotte verlieh ihm Flügel. Jetzt war er auf der Dominator und endlich wieder Offizier, er saß auf seinem Wunschposten und war obendrein noch der zweite Stellvertreter des Kommandanten!

Dwarf hatte nicht anders gekonnt: seinen Sonderurlaub wollte er mitsamt den drei Auszeichnungen, die ihm zuteil geworden waren, auf dem Raumdock begießen. Seine Kameraden Kadetten, die er beaufsichtigen sollte, und Lyndea Korliss begleiteten ihn deshalb in diese rauchige Kneipe voller Stoppelhopser vom Heer.

Vielleicht doch keine so gute Idee. Die betrunkenen Soldaten steckten die Köpfe zusammen und tuschelten, als sie Offiziere eintreten sahen. Für ein Weilchen ging alles gut, die wussten ja auch nicht, dass sie nicht zum Heer gehörten. Dann erkannte ihn doch einer. "He, Ensign! Ihr Navy-Scheißer kriegt hier nix!", brüllte ihn einer von der Seite an, als Dwarf gerade bei dem dazu abkommandierten Droiden eine Runde Ale bestellen wollte. Dwarf ignorierte ihn und seine gewaltige Alkoholfahne zunächst noch. Die Leute brachen die Gespräche ab und sahen neugierig zu den beiden herüber.

"He, du Pfeife, ich rede mit dir!", schrie sein Nachbar und zog ihn am Arm herum. Androx rastete aus.

Eine Sekunde später lag der Major, der an Dwarf gezerrt hatte, am Boden. Seine Backe schwoll schnell an, denn Androx hatte mit rechts zugeschlagen. Rechts trug er, wie kaum jemand wusste, seit Jahren schon eine Armprothese. Es war eine wirklich gute Prothese. Äußerlich sah sie einem echten Arm so ähnlich, wie es nur ging, aber innen bestand sie aus Durastahl.

Wieder drei Sekunden später war die schönste Keilerei im Gange. Die Flottensoldaten mussten gezwungenermaßen ihrem Kameraden beistehen, als sich mindestens zwanzig Graue auf die Urlauber stürzten. Drei Mann hatten Androx zu Boden gerissen und zerfetzten seine Uniform, prügelten auf seinen Oberkörper und das Gesicht ein — und kassierten herbe Gegentreffer mit der Metallfaust, bis es ihnen gelang, sie festzuhalten. Lyndea Korliss hieb mit einer Flasche auf einen Schlägertypen ein und die Offiziersanwärter mitsamt einiger anderer Crewmitglieder von der Dominator gesellten sich dazu. Vom Spielfeldrand aus feuerte der Major die Kameraden an.

"Major, was ist hier los?", durchschnitt die scharfe Stimme des Kommandanten urplötzlich die Luft. Der Major ignorierte sie. Line Captain McReign zog seinen Blaster, feuerte in die Decke, und wiederholte seine Frage. "Major Gendromen!" Diesmal wurde er gehört. Plötzlich war die Prügelei vorbei. Die Flottensoldaten kamen gut davon, denn die Lutscher vom Heer hatten sowohl ihre körperliche Konstitution als auch ihre Skrupellosigkeit schwer unterschätzt. Es gab schließlich gute Gründe, weshalb man sie zur Dritten Flotte abgeschoben hatte. Nachdem Ensign Androx die Lage erklärt hatte, musste der Major die Getränkerechnung der Kameraden von der Dominator inklusive der ihres Kommandanten bezahlen, dann nahm ihn die Militärpolizei mit. Allerdings hatten danach die wenigsten noch Grund zur Freude an ihren Drinks. Dwarf kühlte sich mit dem eiskalten Bier lediglich die Stirn und erwiderte das blutige Grinsen Mace Tel'chus mit einem Zwinkern seines weniger geschwollenen Auges. Der schmächtige Junge hatte ebenfalls eine stählerne Faust (im wahrsten Sinne des Wortes) und hatte gekämpft wie ein völlig Irrer. Lyndea hingegen sah noch am besten von allen aus: als Frau hatte sie nur mit den übelsten Rüpeln ein Problem bekommen, und nur einer war ihr so nah auf die Pelle gerückt, dass sie ihm mit ihrer Flasche das Gesicht zerschneiden musste.

"Kann gut sein", sagte der Captain nach ein paar Minuten des bedrückten Schweigens, "dass Major Gendromen für diese Nummer degradiert wird." Dwarf bangte ebenfalls um seinen gerade wiederhergestellten Rang, doch dann folgte die Erlösung auf dem Fuße: "Für Sie alle ist nach diesem Bier der Sonderurlaub gestrichen, und danach reden wir nicht mehr darüber. Schönen Abend noch, und trinken Sie langsam." Und damit verabschiedete sich der Captain.

"Das war lustig", sagte Scrap Marlowe, als er gegangen war.

"War es nicht", beharrte Lyndea. "Dwarf, du solltest zu einem Sanitäter und..."

Androx nestelte gerade mit einer Hand an seiner zerrissenen Uniform herum. "Habe schon Schlimmeres erlebt", wollte er sagen, aber da unterbrach ihn Mace. "Dwarf!?", fragte er und grinste amüsiert.

"Ja", sagte Androx, leicht gereizt.

Mace grinste bösartig. "Du heißt Dwarf? Ernsthaft?" Er blickte zwischen Lyndea und Dwarf hin und her und versuchte abzuschätzen, ob sie ihm womöglich bloß nach einem Techtelmechtel diesen unrühmlichen Namen verpasst hatte.

"Das ist mein Vorname. Hast du ein Problem damit?" Androx verkrampfte sich und die Mechanik seines künstlichen Arms war deutlich zu hören. Die musste auch mal wieder neu eingestellt werden.

Mace feixte. "Absolut nicht...", beteuerte er ironisch. "... Dwarf."

Scrapper ergänzte kichernd: "Von Agamar, richtig?"

Androx stöhnte gequält und verfluchte wieder einmal seinen Vater. Leider lachten die anderen und sogar Lyndea stimmte mit ein. "Ach komm, jetzt musst du uns das aber erklären", sagte auch sie. Vielleicht hoffte sie auf eine typische Hinterwäldler-Geschichte. Die Leute von Agamar waren raue und ehrliche Gesellen, aber für den Rest der Galaxis waren sie einfach nur ungebildete Volltrottel. Es gab tatsächlich eine Menge Agamarier-Witze und Androx kannte sie alle. Er erzählte sie auch gern, wenn das Publikum stimmte.

"Da gibt's nicht viel zu erklären", sagte Androx stattdessen. Bei seinem Namen war er empfindlich. "Die haben's mir selber nie genau erklärt. Meine Mama hat mal angedeutet, dass ein Kriegskamerad meines Vaters so genannt wurde..." Er zuckte mit den Schultern. "Ich nehme an, dass er gefallen ist. Papa spricht nie über ihn."

"Welcher Krieg?", wollte Lyndea wissen. "Etwa die Klonkriege?"

Androx wusste von keinem anderen richtigen Krieg, aber er nickte. Ihre Verwirrung rührte wohl daher, dass er nicht viel älter aussah als die meisten anderen. Er war aber eben schon dreißig und noch nicht einmal Leutnant.

"Agamar wurde da mehrmals erobert", erinnerte sich Mace. Für ihn war das wahrscheinlich beinahe alte Geschichte, aber er hatte sich wohl an der Akademie damit beschäftigt. Mit dem Wenigen, was heute noch bekannt war, jedenfalls. "Und auf welcher Seite hat er gekämpft?"

Erneut zuckte Androx die Schultern. "Darüber redet er auch nie. Er stammt aber auch nicht von Agamar, sondern hat sich dort nur niedergelassen." Eigentlich wusste er gar nichts über seinen Vater, fiel ihm wieder einmal auf. Er hatte den Eltern (und Fey natürlich) heute erst geschrieben, aber hauptsächlich belangloses Zeug neben seiner Beförderung. Das Meiste, was er hier tat, war streng geheim. Und so hielt es wohl auch sein Vater mit seinem Leben vor dem Kriegsende. Dennoch hätte Dwarf gern gewusst, von was für einem Mann er eigentlich abstammte. Sein Vater hatte gekämpft, das war alles, was er wusste. Aber für wen und welches Ziel? Er wirkte patriotisch, aber war doch unzufrieden mit der Regierung. Und warum war er nach dem Krieg nicht in seine Heimat zurückgekehrt? War er Soldat der Großen Armee gewesen oder nur Söldner bei den Separatisten? Oder etwas viel Schlimmeres? Vielleicht ein gesuchter Verbrecher? Warum sonst sollte man auf einem Planeten wie Agamar siedeln?

In der Folge hatte Androx das Gespräch von sich selbst weg gelenkt und einiges über die Kameraden Kadetten und auch über Lyndea erfahren. Obwohl sie tatsächlich alle langsam tranken, war ihr Sonderurlaub doch irgendwann vorbei. Als zweiter Offizier musste Androx darauf achten, dass die Anordnung eingehalten wurde, also war letzten Endes er der Spielverderber, der alle zurück zur Dominator brachte. Und zur Krankenstation. Dort saß er dann, wurde von einem Droiden ermahnt, gefälligst nicht so zu zappeln, und tippte die wichtigste Frage des Abends in ein Datapad ein: "Was genau macht eigentlich ein zweiter Offizier?"


Ort: Sternzerstörer der Imperial II-Klasse Großadmiral Teshik, Hoher Orbit um Naboo im Chommell-Sektor
Zeitindex: neulich

Dwarf Androx schwebte auf das hell umrandete Tor ins Leere zu. Ein paar Techniker unterbrachen ihre Arbeit, salutierten und sahen dann zu, wie ihr Kommandeur entschwebte. Der Traktorstrahl steuerte ihn zuverlässig in die Andockbucht und von dort aus ins freie All.

"Agamar, hier Teshik", klang die verzerrte Stimme von Commander Tremaine auf. "Sie haben Grün für den Testflug, alle Sensoren sind ebenfalls grün. Commander Yuuz bittet mich hinzuzufügen: Viel Vergnügen dort draußen."

"Teshik, hier Agamar", erwiderte Androx. "Vielen Dank. Bis später." Damit entließ ihn sein Flaggschiff aus dem Traktorstrahl und er brauchte das Steuerjoch nur anzutippen, um seinen A-Wing in eine sanfte Kurve zu ziehen. "Braves Mädchen", murmelte er. "Wie eine gut trainierte Nutte von Zeltron." So sagte man jedenfalls im Pilotenjargon. Oder vielleicht auch nicht mehr. Er hatte weder Jessica Mind noch Exixel Face ausgerechnet darauf ansprechen wollen. So etwas gehörte sich nicht, und er konnte ohnehin nicht sagen, ob die Redewendung stimmte. Die Agamar jedoch, sein geliebter A-Wing, gehorchte bestens. "Wow!" In einer engen Kurve zog er das pfeilschnelle Schiff um sein Flaggschiff herum, kam der Außenhülle dabei einen Hauch näher als beabsichtigt und atmete hörbar auf, als er die enge Schraubenlinie ohne einen Kratzer hinter sich gebracht hatte. Aber er grinste selig in seinem Pilotenhelm. Dafür hatte er seit Monaten trainiert! Endlich wieder fliegen! "Ju-huuu!"

In den letzten Jahren war Dwarf Androx erst träge geworden, dann hatte ihn die Last der Verantwortung scheinbar in die Breite gedrückt. Der schneidige Ensign von einst hatte sich binnen weniger Wochen zum Ersten Offizier der Dominator gemausert, als Captain McReign ihn unerwartet auch noch über mehrere Rangstufen hinweg zum Lieutenant Commander befördert hatte. Er hatte es so nie gesagt und Androx würde es seinen Lebtag lang auch niemals in diesen Worten hören, doch anscheinend hatte er seinen Einfluss als Kommandant des Flaggschiffs geltend gemacht und eine Art "Entschuldigung" für die unsägliche Behandlung eingefordert, die Dwarf Androx in den Jahren nach seinem Unfall zuteil geworden war. Für Sturmtruppen war das Korps sicher das Höchste der Gefühle, aber einen Piloten zum Sterben an die Front zu schicken, um einen peinlichen Unfall zu vertuschen, das war eine Schweinerei allererster Güte. Aus dem Lieutenant Commander war binnen eines halben Jahres erst ein Commander und dann ein hoch dekorierter Captain geworden. Das Personalbüro hatte ihm in kleinen Schritten die verloren geglaubte Zeit beim Korps zurückgegeben. Mit einunddreißig Jahren hatte er seinen letzten Kampfeinsatz als Jägerpilot und bekam sein erstes Kommando, die Cerberus. Was für ein Schiff! Und so viele Geschichten!

Androx probierte einige weitere Manöver aus, die er mit Jessica Mind, Ran Steele und anderen jungen Piloten wie dieser niedlichen kleinen Reeva trainiert hatte, allerdings ohne offen herausgeschriene Freudenbekundungen. Dann räusperte er sich, um seiner heiser geschrienen Stimme einen klaren Klang zu verleihen, aktivierte die Funkanlage, und forderte so nüchtern wie möglich: "Übungsziele bitte." Keine Reaktion. Er drückte den Knopf abermals. "Übungsziele bitte", wiederholte er, beinahe ungeduldig.

"Jawohl, Sir", erwiderte Commander Tremaine mit einem leicht indignierten Hüsteln. Er hatte immer etwas Aristokratisches an sich, aber diese Tonlage konnte er nicht einordnen. "Übungsziele kommen jetzt." Kurzes Rauschen, dahinter leises Gemurmel und ein Räuspern. Schließlich die Stimme von Admiral Stokes, seinem Stellvertreter und Stabschef. "Flottenadmiral", sagte dieser ohne jede erkennbare Regung, "Sie sollten wissen, dass Sie vorhin auf VOX waren."

Androx lief unwillkürlich rot an, dann war er an der Reihe, sich zu räuspern. "Und, hm, funktioniert die Übertragung auch einwandfrei?" Das tat sie, wie Frisendo Stokes bestätigen konnte. "Dann tun Sie mir doch einen Gefallen und schicken Sie die Aufzeichnung an Yuuz. Der verdient sich auch ein wenig Freude im Leben. So, da kommen meine Übungsziele ja endlich!" Diesmal schaltete Androx die Anlage allerdings stumm.

Im Wesentlichen war es Schrott, was Androx aus dem All schießen durfte, und obwohl seine Hand-Augen-Koordination die beste seit Jahren war, brauchte er doch länger als gehofft dafür. Es war vielleicht ganz gut, dass er nicht mehr im Einsatz fliegen konnte. Da schossen die Müllcontainer zurück und bewegten sich so flink wie er. Er war zwar ein guter, aber nie der beste Pilot oder Scharfschütze in seiner Einheit gewesen, nicht einmal in den wenigen Monaten als Geschwaderführer auf der Dominator. Seine eigentlichen Talente, das hatte er heute eingesehen, waren Taktik, Strategie und ein wenig Menschenkenntnis. Deshalb hatte McReign ihn damals auch rasch wieder aus der Pilotenkanzel geholt. Als Erster Offizier hatte er nur noch sporadisch fliegen dürfen, als Kommandant der Cerberus im Einsatz tatsächlich nie wieder. Scrapper und Mace hatte er auf sein Schiff mitgenommen, bald darauf waren Furia Lynn, Kyp Durron und Yuuz zur Mannschaft gestoßen, Mal'ya Rr'ah und Kurdan Hawl, Geedon Priders und McJackson und Mind und Rengia und wie sie alle hießen. Gute Zeiten.

Dann war er Line Captain geworden und entsprechend Verbandsführer, Admiral und Flottillenkommandeur. Er hatte Agamar erobert, seinen eigenen Heimatplaneten, war dort auf Hapaner und Rebellen gestoßen und auf alte Droidenbestände der Separatisten. Im Krieg gegen die Mutantenarmee der Königinmutter Ta'a Chume hatte er vor und hinter den Linien agiert, in gewaltigen Schlachten Männer verloren und noch mehr getötet, als Doppelagent des Geheimdiensts die königliche Familie ausspioniert und dabei Mal'ya Rr'ah getroffen, seine große Liebe bis heute. Auf Kamino hatte er sich um den Nachschub an Klontruppen bemüht und in der Rolle eines Piratenkapitäns schließlich seinen Anteil zu einer beispiellosen Kriegslist geleistet, um die schier unbezwingbaren Hapaner gegen ihre Verbündeten, die Rebellen, aufzuwiegeln. Es hatte funktioniert. Hapan war heute so wenig eine Bedrohung für Thrawns Imperium wie die Yevethaner im Koornacht-Sternhaufen. Um die hatte sich Admiral Darkan gekümmert.

Die heutige Bedrohung für das Imperium kam aus einer ganz anderen Richtung, und sie war viel subtiler als alles, was Androx bisher erlebt hatte. Selbst die Rebellen hatten sich offen zu ihrem Partisanen- und Guerillakrieg bekannt. Dieser Feind aber war nur ein schlüpfriger Schatten, dabei aber vielleicht ebenso mächtig wie das Galaktische Imperium. Am Rande der Galaxis war er gewachsen, dieser Schatten, hatte sein Sternenreich ausgeweitet, von dem keiner etwas wusste, und ein System nach dem anderen verschwand von den offiziellen Karten, indem es sich vom Handel mit den Kernwelten isolierte und rigoros seine Grenzen dicht machte. Agenten und Kriegsschiffe des Imperiums verschwanden in diesen Systemen zuhauf, manche flogen sogar ohne Befehl dorthin und schienen sich dem Feind anzuschließen. Erst als die Junta der Dreißig von Eriadu sich daran gemacht hatten, mit Sullust auch imperiales Hoheitsgebiet anzugreifen, hatte man dort reagiert und die Dritte Flotte losgeschickt. Direkt in eine Falle.

Nach seinem Übungsschießen hatte Androx keine weiteren konkreten Pläne hier draußen und auch eigentlich nicht mehr viel Zeit. Kyp Durron, sein bester Freund und Geheimdienstchef, wartete auf ihn mit seiner neuesten Gefahrenanalyse. Sie hatten Naboo zwar erobert und militärisch im Griff, doch die Dritte Flotte bestand heute nur noch aus den Wenigen, die sich mit der Annihilator vor Thrawns Zorn in Sicherheit gebracht hatten. Die Naboo und die Gungans waren zahlreich, mehrere Milliarden gegen, na, vielleicht eine Viertelmillion. Sie hatten zwar keine Raumschiffe mehr, aber sie hatten Geld und deshalb sicher auch Verbündete. Wenn die Guerillas es schafften, um Hilfe zu bitten, müsste die Flotte ganz schnell weiterziehen.

Androx gab Gas. Naboo sprang förmlich auf ihn zu, dieser hübsche grün-blaue Planet am anderen Ende der Galaxis, zumindest aus der Perspektive eines Agamariers. Eine Formation schwarz lackierter Jäger zog in der höheren Atmosphäre ihre Bahn und wackelte mit den Flügeln, als der Admiral in seinem Privatjäger näher kam. Die Agamar kannten sie alle. Es war der einzige Rebellenjäger im Flottenarsenal. Androx hatte ihn damals noch höchstpersönlich mit Ionenpuls-Raketen erobert. Eigentlich drei von ihnen, aber die anderen beiden waren mit der Cerberus untergegangen.

Die Kameraden in ihren Naboo-Jägern ließ er in Ruhe. Die hatten mit der fremdartigen Technologie schon genug zu tun, die Captain Saloron von der Emperor's Yoke für sie beschlagnahmt hatte. Er tauchte in die Atmosphäre ein, raste ihr so schnell entgegen, dass er die Partikelschilde aufladen musste, um die Reibungshitze vom Rumpf fernzuhalten, und schoss mit dreifacher Schallgeschwindigkeit durch die Wolken und den Erdboden zu. Er bremste hart ab auf unter Mach 1, glich den Winkel an und fand sich in einer Überflughöhe von vielleicht achthundert Metern wieder. Eine üppige, fruchtbare Welt breitete sich weit vor ihm aus. Postkartenmotive, wohin das Auge auch schaute, abgesehen von den schwarzen, glasierten Einschusskratern am Rande einer Stadt. Ein militärisches Flugfeld und ein Orbitalgeschütz hatte es dort gegeben, erinnerte sich Androx nach einem Blick auf die Karte. Ja, die hatten sie zerstört. Er flog näher heran und kreiste über der Stadt. Einige Krater waren bereits mit Wasser aus dem See vollgelaufen und es glitzerte in der Sonne, genau wie das zu Glas geschmolzene Gestein in seinen skurrilen Formationen. Dwarf Androx lächelte. Was für ein Zeugnis von wahrer und kompromissloser Macht.